Unter Druck entstehen Diamanten
David Karlin
16. April 2024
Jedes Opernhaus funktioniert mit einer einfachen Gleichung: Subventionen plus Spenden plus Karteneinnahmen müssen die Ausgaben übersteigen. Auf der Frühjahrskonferenz von Opera Europa wurde die Frage der Einnahmen durch das Publikum aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.
In Wien sind drei große Opernhäuser ansässig, von denen jedes einen Tag der Konferenz ausrichtete. Jede:r Intendant:in - Bogdan Roščić an der Wiener Staatsoper, Lotte de Beer an der Volksoper und Stefan Herheim am Musiktheater an der Wien - stellte sein oder ihr Haus vor und erläuterte die unterschiedlichen Charaktere und Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Die Staatsoper ist eine geschichtsträchtige Institution, Hüterin eines liebgewonnenen Repertoires und von Traditionen, ein Haus, das Tourist:innen ebenso anzieht wie Einheimische - das aber auch mit vielen Erwartungen zu kämpfen hat, gewisse Dinge aufrechtzuerhalten, die zum Teil in gesetzlichen Vereinbarungen verankert sind. Das MusikTheater an der Wien, ein En-Suite-Betrieb, das auch Kammeropern aufführt, bereitet sich auf die Rückkehr in das gleichnamige Haus im Oktober vor, nachdem es während der Renovierungsarbeiten im Wiener Museumsquartier eine längere Zeit im Exil verbracht hat. Die Volksoper, ein weiteres Repertoiretheater, ist das jüngste der drei Häuser und bemüht sich um ein neues Publikum und eine unverwechselbare künstlerische Identität, die ihrem Namen gerecht wird.
Mit der auf Kinderopern spezialisierten Wiener Taschenoper als weiterer Gastgeberin hatten die Teilnehmenden eine erstaunliche Vielfalt an Aufführungen zur Auswahl: Simon Boccanegra und Don Giovanni in der Staatsoper, Die Kameliendame im Wiener Staatsballett, Die lustige Witwe, La rondine und Die lustigen Weiber von Windsor in der Volksoper, Kublai Khan im Musiktheater an der Wien - sowie Kinderopern, ein Vorsingen und eine Reise nach Bratislava zu einer Aufführung von Svätopluk der Slowakischen Nationaloper. Dies war sicherlich eine der reichhaltigsten Konferenzen, die es je gegeben hat, was das künstlerische Programm angeht (und auch das Angebot an Kaffee und Kuchen, da wir in Wien sind, wie der Guglhupf am Samstag bewies).
Nach der Begrüßung begann die Konferenz mit einer eindringlichen Erinnerung daran, warum sich die Opernhäuser auf ihre Publikumseinnahmen konzentrieren müssen, denn es ist nicht mehr möglich, die staatliche Finanzierung als selbstverständlich anzusehen. David Pountneys Eröffnungsrede war eine akribisch argumentierte, scharfe Kritik an der britischen Regierung, angefangen bei ihrer Rolle bei den massiven Mittelkürzungen, die 2022 vom Arts Council England angekündigt wurden, bis hin zu ihrem jüngsten "missratenen" Gutachten zur britischen Oper. (Eine Randbemerkung: Es war interessant, von spanischen Häusern zu hören, dass die Fördereinrichtung als Puffer zwischen Kunstinstitution und Kulturministerium fungiert, in Spanien gut funktioniert - ein Mechanismus, der im Vereinigten Königreich eindeutig versagt hat). Pountney schloss mit zwei entscheidenden Punkten: Wir müssen die Fragen "Wessen Geschichten erzählen wir?", "Wer erzählt sie?" und "Wer darf entscheiden, welche Geschichten erzählt werden?" mit neuen Werken "außerhalb und zusätzlich zum traditionellen Kanon" beantworten, und "wir müssen die Richtung unserer Einkommensströme sehr sorgfältig prüfen und ständig hinterfragen, ob unsere Ressourcen auf die sinnvollste Weise eingesetzt werden".
Während die Keynote einen düsteren Ton anschlug, war die Stimmung auf der Konferenz in Bezug auf die Zuschauerkomponente ausgesprochen optimistisch. Die meisten Teilnehmer:innen, mit denen ich sprach, erklärten, dass die Zahl der Besucher:innen wieder das Niveau von vor der Pandemie erreicht oder übertroffen habe; einige berichteten auch, dass sie das Durchschnittsalter ihres Publikums senken konnten. Ein besonderes Thema war, dass die Pandemie die Kaufgewohnheiten verändert hat: Kleiderläden schließen, während Restaurants und Bars eröffnet werden, weil die Menschen eher nach Gemeinschaft als nach Produkten suchen. Die Oper ist ein Gemeinschaftserlebnis par excellence. Wie also, so könnte man fragen, kann die Opernbranche am besten davon profitieren? Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass es einen immer stärkeren Wettbewerb um die Freizeit der Menschen gibt (Elizabeth Morrison wies darauf hin, dass die nächsten Nachbarn der Royal Opera derzeit Mamma Mia und Frozen sind).
Da es kaum möglich ist, allen Sessions der Konferenz Rechnung zu tragen, warden nachfolgend einige der Hauptthemen aufgegriffen.
Zunächst zum Thema Inklusivität. Jede:r möchte neue Leute für die Oper gewinnen: jüngere Menschen, Menschen anderer ethnischer Herkunft, Menschen aus sozialen Schichten, von denen wir - zu Recht oder zu Unrecht - annehmen, dass die Oper nichts für sie ist. Die Ideen, wie dies erreicht werden kann, flogen in schwindelerregender Geschwindigkeit durch den Saal. Einige Beispiele: Es könnte eine Zusammenarbeit mit einem anderen Unternehmen sein, das sein eigenes Publikum mitbringt, wie Operetta Land der Dutch National Opera. Es könnte die Zusammenarbeit mit ethnischen Gruppen und die Verschmelzung musikalischer Formen sein wie bei Opera North's 2022 Orpheus, wo Monteverdi mit indischer Musik verbunden wurde. Vielleicht dreht sich eine Produktion um den Straßentanz, wie die kommende Produktion von Les Indes Galantes am Teatro Real. Man kann die Oper aus ihren Samt- und Goldpalästen herausholen und auf die Straße bringen, wie die "Verdi SPIP Parade" in Parma. Es gibt ein großes Potenzial für das, was als "gegenseitige Befruchtung" des Publikums in verschiedenen Kunstformen beschrieben wurde. Viele werden die Idee begrüßen, dass Opernabende kürzer sein könnten: Der Magdeburger Julien Chavaz wies auf die Möglichkeit hin, Gianni Schicchi allein aufzuführen, ohne seine Geschwister aus dem Triptychon oder andere zusätzliche Stücke. Und warum sollte man Abonnent:innen nicht einen satten Rabatt auf eine zweite Karte gewähren, wenn sie jemanden mitbringen, der neu in die Oper kommt? Oder Angebote für die Mitarbeiter:innen von Unternehmenssponsoren machen, die diese dann weitergeben können? Doch hier ist ein zweischneidiges Schwert im Spiel. Einerseits muss die Oper Barrieren abbauen, wie Kasper Holten auf der Konferenz in Kopenhagen betonte: Es kann nicht richtig sein, wenn eine der meistbesuchten Seiten auf der Website eines Opernhauses die Seite "Wie kleide ich mich richtig in der Oper" ist.
Andererseits lieben viele Menschen die Oper gerade wegen ihrer Traditionen, und ein Opernbesuch muss etwas Besonderes sein - vor allem, wenn er in einem traditionsreichen Haus wie Covent Garden oder La Scala stattfindet. Das Palais Garnier in Paris wird jedes Jahr von über einer Million Menschen besucht, weil, wie Sophie Gavriloff erklärte, das Interesse am kulturellen Erbe wieder auflebt: Zumindest für einen Teil des Opernpublikums, ob neu oder etabliert, gehören Samt und Gold und das Herausputzen dazu.
Das zweite faszinierende Thema war die Idee eines Kontinuums vom ersten Opernbesuch über regelmäßige Opernbesuche bis hin zum Abonnement und Sponsoring. Häuser, die ihre Abhängigkeit von staatlichen Zuschüssen verringern wollen, müssen nicht nur die Zuschauerzahlen, sondern auch die Einnahmen maximieren: Man kann bei voller Auslastung nicht automatisch davon ausgehen, dass alle Plätze auch zum vollen Preis verkauft werden. Es gab viele nützliche Diskussionen darüber, wie man Abonnementmodelle verwalten kann, um die Einnahmen zu verbessern.
Der wichtigste Aspekt bezüglich der Abonnenments war die Notwendigkeit, Wertgeschätzung zu vermitteln. Es wurden viele Möglichkeiten diskutiert, dies zu erreichen. Nur wenige können es der Wiener Staatsoper gleichtun, wo die besten Abonnent:innen als erste Karten für den unglaublich exklusiven Opernball erhalten; bescheidenere Angebote umfassen den Zugang zu "Meet the Artists"-Veranstaltungen oder einfach eine eigene Telefonleitung für die Abendkasse. Aber auch hier gibt es ein zweischneidiges Schwert: Jedes Mal, wenn Sie ein Sonderangebot machen, um neue Zuschauer:innen anzulocken, laufen Sie Gefahr, von Ihren treuen Abonnent:innen als unfair empfunden zu werden, da diese nicht dasselbe Angebot erhalten. Ein weiterer Zwiespalt liegt in der Frage der Komplexität von Abonnementangeboten: Eine große Vielfalt an Angeboten bedeutet, dass jeder ein auf ihn zugeschnittenes Angebot finden kann, aber wenn die Vielfalt zu groß ist, wird das Ganze sehr komplex in der Handhabung, sowohl seitens der Kundschaft als auch des Theaters.
Die Arbeit der Pädagogik und Vermittlungsabteilungen bei der Gewinnung des Publikums von heute und morgen wurde in einem von Hannah Griffiths moderierten Workshop hervorgehoben.
In verschiedenen Sitzungen wurde über Fundraising und Sponsoring gesprochen. Ein besonders interessanter Gast war Alessandro Chiesi, ein Geschäftsmann aus Parma, der sich nicht nur aus philanthropischen Gründen in der Kunstförderung engagiert, sondern weil er darin ein wichtiges Mittel sieht, um die Stadt für die besten und klügsten Arbeitskräfte attraktiv zu machen. Mehrere Redner:innen machten deutlich, wie wichtig es ist, die Motivation der Philanthrop:innen wirklich zu verstehen und das Angebot entsprechend zu gestalten: Lanfranco Li Cauli von der Scala berichtete von einer Großspenderin, der es nicht gelungen war, ihre Liebe zur Oper und zum Ballett an ihre Kinder weiterzugeben, und die es sich deshalb zur Aufgabe gemacht hatte, diese Liebe bei anderen jungen Menschen zu wecken.
Die Opernbranche vermittelt immer ein gewisses Gefühl eines Belagerungszustand, was durch die Keynote von David Pountney veranschaulicht wurde. Aber wenn es einen Satz gab, der diese Konferenz auf den Punkt brachte, dann war es das alte Sprichwort, dass Diamanten unter Druck entstehen. Sicherlich gab es genug Energie und Kreativität in diesem Raum, um uns hoffentlich über die Runden zu bringen. Oder prosaischer ausgedrückt, wie Richard Brunel aus Lyon es mir sagte: „on trouve des moyens“.
David lebt in London und ist Mitbegründer und Direktor von Bachtrack, der internationalen Website für klassische Musik, Oper, Ballett und Tanz.
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