In Anlehnung an die Oper, mit der das renovierte Teatro Donizetti am 19. November wiedereröffnet wurde, bot die Herbstkonferenz von Opera Europa ein Lebenselixier jenseits der Pandemie, mit Sitzungen, die den Herausforderungen und Prioritäten von Führungskräften gewidmet waren, sowie Gesprächen über die nächste Generation an Führungskräften und das Leben der Künstler:innen von heute. Allgegenwärtig waren die 21 jungen Fachleute, die für den neu gestalteten Opernmanagementkurs dieser Saison rekrutiert wurden. Sie fungierten als Berichterstatter:innen für die vier Break-out-Sitzungen und hatten in Dreiergruppen die Aufgabe, sieben der wichtigsten Themen der Konferenz zusammenzufassen.
Das intensive Erlebnis der diesjährigen Herbstkonferenz begann mit dem herzlichen Empfang durch die Institutionen der Stadt Bergamo, ein perfekter Beweis dafür, wie viel die Oper und ihr Rahmenprogramm für das Ansehen der Stadt bedeuten"
Wir hatten die Gelegenheit, die schwierige, aber hoffnungsvolle Geschichte Bergamos während der Pandemie neu zu erleben. Francesco Micheli, der künstlerische Leiter der Fondazione Teatro Donizetti, gestand, dass er das Gefühl hatte, unsere Arbeit sei fast irrelevant, als die Pandemie sich ausbreitete und so viele Menschen tötete. Als wir die Bilder und Videos der Tragödie von Bergamo sahen, stimmten wir beinahe zu.
Doch die Kunst ermöglichte es den Menschen, sich während der Gedenkveranstaltung am 28. Juni 2020 von den Toten zu verabschieden, insbesondere durch die bewegende Aufführung von Donizettis Requiem.
Auch die Kunst gab den Menschen in einem schwierigen Moment Hoffnung: Die Geschichte der Wiedereröffnung des Teatro Donizetti, des wunderschönen Theaters, in dem wir während einiger Sitzungen arbeiten durften, nach einer 80 Millionen Euro teuren Renovierung (die durch die Pandemie auf Eis gelegt wurde), ist wie eine Metapher für eine lange und manchmal schwierige, aber auch ersehnte Wiedergeburt.
Wie Francesco betonte, hat das Theater nicht aufgegeben, weil die Bürger:innen die Kunstschaffenden darum baten, nicht aufzugeben. Die Pandemie trug dazu bei, die Oper in der ganzen Welt zu verbreiten (Donizetti Opera Tube erreichte 43 Länder) und die Menschen erkannten, dass sie Donizettis Musik brauchen. Sein Lebensweg lehrt uns alle, zu hoffen und nicht aufzugeben, vor allem die jungen Menschen, denen auch heute noch Projekte wie Citofono Donizetti und Opera Wow gewidmet sind.
Am Ende der Podiumsdiskussion und am Ende dieser schönen, intensiven Reise in Bergamo können wir sagen, dass es vielleicht stimmt, dass das, was wir tun, manchmal nicht so relevant erscheint, aber wie einer unserer Mentoren uns sagte: "Es stimmt, wir retten keine Leben, aber wir verändern sie zumindest".
Magid El-Bushra (Royal Opera House Covent Garden), Alessia Girgenti (Teatro Massimo Palermo), Anouck Rosier (Opera Zuid Maastricht
Ein zentraler Punkt dieser Konferenz war die Einbeziehung des Publikums: Kulturelle Teilhabe ist Publikumsentwicklung und die Einbeziehung des Publikums bedeutet die Entwicklung kultureller Einrichtungen.
■ Wir sollten uns für den Aufbau einer nicht-hierarchischen Beziehung zu unseren Gemeinschaften einsetzen.
■ Es ist wichtig, die Bemühungen gezielt einzusetzen, denn eine Oper kann nicht alles für alle sein.
■ Die Idee ist, einen Wandel in unseren Gemeinschaften anzustoßen und sich von ihnen verändern zu lassen, indem wir das Verhältnis zwischen technischer Virtuosität und Ausdrucksqualität neu überdenken.
■ Indem wir das Publikum ermächtigen, geben wir ihm Raum und verstärken seine Stimme.
Die Zukunft der Führung in der Oper war ein weiterer Schwerpunkt der Gespräche. Nach einer großen Krise wurde am Badischen Staatstheater Karlsruhe ein mutiger Reformprozess eingeleitet. Durch Coaching und die Einrichtung eines runden Tisches mit allen Abteilungen wurde eine neue Kultur der offenen Kommunikation geschaffen. Die Mitarbeiter:innen haben Task-Forces gebildet, um verschiedene brennende Themen zu diskutieren und zu bewerten, darunter auch das zukünftige Strukturmodell. Hierarchien zu überdenken wird im Mittelpunkt unserer zukünftigen Bemühungen stehen, das künstlerische Wachstum der Opernwelt zu stärken.
Florian Köfler (Badisches Staatstheater Karlsruhe), Joëlle Traufler (Grand Théâtre de la Ville Luxembourg), Keith Stonum (Staatstheater Hannover)
Die Sitzung hatte einen italienischen Schwerpunkt: Barbara Minghetti (Como) und Sebastian Schwarz (Turin) sprachen über einige der Herausforderungen, denen sie sich stellen müssen. Es gab jedoch drei Hauptpunkte, die für alle europäischen Opernhäuser gelten.
1. Die Bedeutung einer Neuausrichtung des Herzens und der Seele der Oper: gemeinschaftsorientiertes Theater. Ein Vorschlag lautete, künstlerische Ensembles zu engagieren, um Gemeinschaftsprojekte zu schaffen, die Geschichten über die Menschen erzählen und zur Anerkennung von Fragen der Vielfalt auf der Bühne beitragen.
2. Die Bedeutung von Führungskräften mit der Kompetenz, Unternehmen zu führen; Führungskräfte, die nicht nur auf den kurzfristigen Erfolg, sondern auf das langfristige Wohlergehen eines Opernhauses bedacht sind.
3. Die Wichtigkeit, Künstler:innen eine Stimme in unseren Prozessen und Programmen in allen Bereichen zu geben. Wenn wir die Künstler:innen von Anfang an mit ins Boot holen, um die Gemeinschaft in den Mittelpunkt zu stellen, wird dies nicht nur dem ersten Punkt, der Gemeinschaft eine Priorität einzuräumen, zugute kommen, sondern auch dazu beitragen, dass die Künstler:innen sich dem Theater zugehörig fühlen.
Hannes Föst (Theater Magdeburg), Laura Roling (Dutch National Opera), Kate Rooney (Royal Opera House Covent Garden)
A specific profile for a leader in the theatre field does not exist.
Everything starts from a great passion and builds slowly by modelling itself according to the person and the space that surrounds it. A school, a mentor, a boss has to make the new leader to discover her/his own talent.
For the new generation that approach to the theatre field is good to have an active dialogue with the superiors in order to avoid mistakes, especially at the beginning of a career. First, a leader has to be able to listen and to understand what happens around. To have a look inside the institution she/he manages and get to know the pros and cons in that position, being able to admit mistakes sometimes.
Each institution is very different from each other, and this is the beauty of it.
Therefore, it is necessary to create a balance between critical thinking and listening in the leadership position. Give trust to the employee and make sure that everyone can own her or his part in the goals of the theatre.
It’s a gallery of personalities: without them nothing will be possible. Ultimately, it is about the people and for the people!
Cinzia Cacace (Teatro Regio Parma), Xolane Marman (SA Operatunity), Níels Thibaud Girerd (Icelandic Opera)
Raehann Bryce-Davis betrat die Bühne nicht, um zu singen, sondern um ihre Stimme zu erheben und die Black Opera Alliance vorzustellen. Die Pandemie und die Ermordung von George Floyd waren der Auslöser für die Gründung dieser Allianz mit dem Ziel, Schwarze zu stärken und Institutionen herauszufordern, wirklich alle Mitglieder der Gesellschaft zu repräsentieren und die Oper integrativer zu gestalten.
Sie erstellten einen Aktionsplan, den Pledge for Racial Equity and Systemic Change in Opera, der Verbesserungen in der Opernwelt vorschlägt, z. B. schwarze Künstler:innen zu engagieren, ihnen mehr Sichtbarkeit und Platz in den Programmen zu geben sowie Künstler:innen mit unterschiedlichem Hintergrund und aus verschiedenen Gemeinschaften auszubilden und einzustellen.
Es wurde hervorgehoben, dass die Organisationen neue Erzählungen fördern müssen, indem sie Librettist:innen, Komponist:innen und Dramaturg:innen einstellen, die ihre eigenen Geschichten erzählen können.
Es wurden zwei weitere Empfehlungen ausgesprochen:
1. Unsere Netzwerke zu erweitern, um die vielfältigen Talente zu erreichen, die darauf warten, gefunden zu werden
2. Die Talente, die wir auf und hinter der Bühne sehen wollen, zu fördern, indem wir die Möglichkeiten für alle zugänglich machen.
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass diese Veränderungen nicht ohne neue politische Maßnahmen durchgeführt werden können. Einige dieser Maßnahmen können auf andere Realitäten übertragen werden, und alle unsere Institutionen in Europa und die gesamte Gesellschaft werden davon profitieren.
Müge Altay (FEDORA), Guillaume L’Hôpital (La Monnaie Brussels), Paloma Alvar Nuño (Teatro Real)
Sind die Künstler:innen wirklich auf die Realität der heutigen Berufswelt vorbereitet?
Können sie mit immer weniger stabilen Ensembles noch Karriere machen? Wie können Künstler:innen und Institutionen oder Unternehmen sich gegenseitig helfen und voneinander lernen? Die von Karen Stone moderierte Podiumsdiskussion "Das Leben der Künstler:innen" machte darauf aufmerksam, wie Kunstschaffende um ihr Überleben kämpfen und ihren Weg in einer immer stärker wettbewerbsorientierten Berufswelt finden.
Prekarität, Zeitmangel für die künstlerische Entwicklung und begrenzter Zugang zu Aufführungsräumen, die es Künstler:innen ermöglichen, durch eigenes Tun zu lernen, wurden genannt. In einer Zeit konkurrierender Individuen müssen sich Opernmanager der Herausforderung stellen, Zusammenarbeit aufzubauen oder aufrechtzuerhalten, die diese Probleme lösen und das Bewusstsein dafür schärfen, dass Oper ein Teamsport ist. Opernmanager müssen nichts Geringeres als die Herausforderung annehmen, ein offenes und integratives Umfeld zu schaffen, in dem Liebe und Bewunderung herrschen. Auf diese Weise können Institutionen und Künstler ihr gemeinsames Ziel erreichen, durch Zusammenarbeit, Kommunikation und vor allem gegenseitigen Respekt eine bemerkenswerte Oper zu schaffen.
Audrey Brahimi (Opéra Orchestre de Montpellier), Łukasz Dobrowolski (Baltic Opera Gdansk), Benedikt Simonischek (Komische Oper Berlin)
Statt den Klimawandel als Belastung zu sehen, sollten wir ihn als Chance für die Oper begreifen. Eine größere ökologische Verantwortung der Theater ist eine bereichernde Herausforderung für das künstlerische Schaffen; sie wird sich langfristig positiv auf die finanzielle Bilanz auswirken (z. B. geringere Energiekosten, recycelte Materialien) und sollte die hierarchischen Strukturen der Opernhäuser in nachhaltigere Modelle umwandeln, bei denen Zusammenarbeit der Schlüssel ist.
Werkzeuge und Regelwerke stehen zur Verfügung, um diesen Wandel einzuleiten. Das Theatre Green Book und das OSCaR-Projekt (Opera Sceneries Circularity and Resource Efficiency) bieten effiziente und kollektive Methoden zur Umsetzung von umweltverträglichen Lösungen in Theatern. Das Projekt Eco-Perform wird einem breiten Spektrum von Fachleuten aus dem Bereich der darstellenden Künste Schulungen zur Verbesserung der Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der Nachhaltigkeit anbieten.
In Opernhäusern gibt es bereits viele Initiativen. Indem sie diese ausweiten und sich zusammenschließen, um gemeinsame Lösungen zu entwickeln, werden die Opernhäuser einen bedeutenden Einfluss auf den Umweltschutz haben und die darstellenden Künste zu einem Beispiel und einem Vorreiter in Sachen Umweltverantwortung machen.
Kevin Blersch (Staatstheater Nürnberg), Violaine Charpy (Opéra national de Paris), Celia Grau (Opera Europa)