Der Besuch der Lviv National Opera zu ihrem 125-jährigen Jubiläum war ein unvergessliches Erlebnis – nicht nur wegen der Pracht des Gebäudes und der Kunst auf der Bühne, sondern auch wegen des kraftvollen Symbols einer Kunst, die trotz widrigster Umstände weiterbesteht. Die Feierlichkeiten konzentrierten sich auf eine zutiefst bewegende Aufführung von Francis Poulencs Les Dialogues des Carmélites sowie auf die internationale wissenschaftliche Konferenz „The Opera Theatre in Times of Historical Challenges: Retrospective and Modern Messages“. Unser Gastgeber, Vasyl Vovkun, Verwaltungs- und Künstlerischer Direktor der Lviv National Opera, und sein gesamtes Team unter Leitung von Ostap Hromysh bereiteten uns einen warmen und großzügigen Empfang.
Als Executive Director von Opera Europa fühlte ich mich geehrt, gemeinsam mit meinem Kollegen Sebastian Schwarz eingeladen zu werden, auf der Konferenz zu sprechen und an den Jubiläumsfeierlichkeiten teilzunehmen. Es war zutiefst bewegend, Künstlerinnen und Künstlern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Verwaltungsmitarbeitenden zu begegnen, die das kulturelle Leben trotz der täglichen Realität des Krieges aufrechterhalten. Ihr Wille, weiter zu spielen, zu lehren und Musik zu teilen, ist gleichermaßen inspirierend wie berührend.
Sebastian hielt seine Ansprache beim Galaabend auf Ukrainisch, was im Publikum großen Applaus hervorrief, und er nahm viele Eindrücke mit nach Hause:
„Was mich in Lviv am meisten beeindruckt hat, war nicht nur der Mut, weiterzumachen, sondern der stille Stolz, mit dem Künstlerinnen, Künstler und Institutionen darauf bestehen, als gleichberechtigte Partner gesehen zu werden. Die ukrainische Opernwelt bittet nicht um Mitleid – sie verlangt danach, innerhalb der gemeinsamen europäischen Erzählung gesehen und gehört zu werden. Jeder Besuch offenbart mehr von einer Kultur, die lange im Schatten stand und doch über einen tiefen musikalischen und menschlichen Reichtum verfügt.
Der Austausch mit unseren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen ist eine Lehrstunde – über Widerstandskraft, über Integrität und über den unerschütterlichen Glauben, dass Kunst kein Luxus des Friedens ist, sondern ein Akt der Identität. In diesem Sinne besteht ihre Arbeit nicht nur fort; sie leuchtet. Gemeinsam halten wir dieselbe fragile, aber lebenswichtige Flamme am Leben – die Überzeugung, dass die Oper in all ihrer Schönheit und Komplexität ein lebendiger Ausdruck dessen bleibt, wer wir sind und wofür wir stehen.“
Lviv, ein UNESCO-Weltkulturerbe, gehört weiterhin zu den großen architektonischen Schätzen Europas und hat sich über Jahrhunderte als Zentrum des Handels und der Kultur entwickelt, geprägt von vielfältigen Gemeinschaften. Das 1900 vollendete Opernhaus verkörpert dieses reiche Erbe – eine Verbindung aus Neorenaissance und Neobarock mit Anklängen an den Jugendstil.
Während meines Aufenthalts erhielt ich einen kleinen, aber ernüchternden Einblick in das Leben unter Bedrohung, als mitten in der Nacht ein Luftalarm wegen eines Drohnenangriffs ertönte und wir in den Schutzraum des Hotels gehen mussten. Die langen Schlangen an der Grenze auf der Rückreise waren eine weitere bewegende Erinnerung daran, wie privilegiert wir sind, in freien und friedlichen Ländern zu leben.
Doch das letzte Wort überlasse ich meinem Kollegen Sebastian:
Разом ми зберігаємо те саме крихке, але життєво важливе полум’я – переконання, що опера, у всій своїй красі та складності, залишається живим виразом того, ким ми є і за що стоїмо.
(Together we preserve that same fragile but vital flame – the belief that opera, in all its beauty and complexity, remains a living expression of who we are and what we stand for.)
Karen Stone
Executive Director


